Der wachsende Fachkräftemangel in der Schweiz führt dazu, dass immer mehr Unternehmen ihren Blick über die Landesgrenzen hinaus richten. Besonders Mitarbeiter aus Osteuropa stellen eine wertvolle Ressource für den Schweizer Arbeitsmarkt dar. Der folgende Beitrag beleuchtet die rechtlichen, organisatorischen und kulturellen Aspekte, die bei der Rekrutierung und Beschäftigung von osteuropäischen Arbeitskräften zu berücksichtigen sind.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Unterschiedliche Regelungen für EU/EFTA-Bürger und Drittstaaten
Bei der Rekrutierung von Arbeitskräften aus Osteuropa ist zunächst zu unterscheiden, ob es sich um Bürger aus EU/EFTA-Staaten oder aus Drittstaaten handelt:
- EU/EFTA-Staatsangehörige (z.B. Polen, Tschechien, Ungarn) geniessen dank des Freizügigkeitsabkommens vereinfachten Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt. Lediglich Kroatien hat aktuell nur eine „Volle Freizügigkeit mit Schutzklausel“. Ab 2027 gilt dann auch hier die volle Freizügigkeit ohne Beschränkungen.
- Drittstaatsangehörige (z.B. Ukraine, Weissrussland, Russland) unterliegen strengeren Zulassungskriterien und benötigen in der Regel eine besondere Qualifikation

Bewilligungspflicht und Meldeverfahren
Für EU/EFTA-Staatsangehörige gilt:
- Bis zu 90 Arbeitstage pro Jahr ist keine Bewilligung nötig, jedoch eine obligatorische Meldung
- Bei längerem Aufenthalt muss der Arbeitnehmer innerhalb von 14 Tagen nach Einreise bei der Wohngemeinde eine Aufenthaltsbewilligung beantragen
- Je nach Dauer des Arbeitsverhältnisses wird eine Kurzaufenthaltsbewilligung L (max. 1 Jahr) oder eine Aufenthaltsbewilligung B (mehr als 1 Jahr) ausgestellt
Für Drittstaatsangehörige gilt:
- Der Arbeitgeber muss für potenzielle Mitarbeiter eine Arbeitsbewilligung beantragen
- Es muss nachgewiesen werden, dass auf dem Schweizer Arbeitsmarkt keine geeignete Person für die Stelle gefunden werden konnte
- Eine Bewilligung wird hauptsächlich für gut qualifizierte Fachkräfte mit Hochschulabschluss und mehrjähriger Berufserfahrung erteilt
Organisatorische Herausforderungen
Rekrutierungsprozess
Die Rekrutierung von Mitarbeitern aus Osteuropa erfordert eine sorgfältige Planung:
- Vorausschauende Personalplanung: Der Bewilligungsprozess kann je nach Herkunftsland mehrere Wochen oder Monate dauern
- Qualifikationsanerkennung: Prüfung der Gleichwertigkeit ausländischer Berufsabschlüsse und ggf. Organisation notwendiger Zusatzqualifikationen
- Unterstützung bei der Wohnungssuche und Einrichtung eines Bankkontos
- Sprachliche Hürden überwinden: Organisation von Sprachkursen oder Bereitstellung von Übersetzungshilfen
Beispiel Lastwagenchauffeure
Bei der Rekrutierung von Lastwagenchauffeuren aus Osteuropa sind zusätzlich folgende Punkte zu beachten:
- Anerkennung der Fahrerlaubnis und der Berufskraftfahrerqualifikation
- Kenntnisse der schweizerischen Verkehrsregeln und Lenk- und Ruhezeiten
- Spezielle Anforderungen des Schweizer Arbeitsmarktes (z.B. Gebirgsstrecken, Tunnelpassagen)
Agenturen, welche auf die Vermittlung von Lastwagenchauffeuren aus Osteuropa spezialisiert sind, kennen diese Voraussetzungen bereits und berücksichtigen dies bei der Auswahl passender Kandidaten. So können sich Unternehmen aus der Schweiz viel Arbeit und Probleme ersparen.
Arbeitsbedingungen und Lohn
In der Schweiz gelten strenge Vorschriften bezüglich der Arbeitsbedingungen:
- Lohnniveau: Ein angemessener Schweizer Lohn muss gewährleistet sein – bei Lastwagenchauffeuren beispielsweise liegt der Durchschnittslohn bei ca. 60’000 CHF pro Jahr bzw. 5’000 CHF monatlich (im Vergleich: in Osteuropa oft nur 3’500-4’500 CHF monatlich)
- Arbeitszeiten: Die maximale wöchentliche Arbeitszeit für Lastwagenchauffeure beträgt 56 Stunden, jedoch sind durchschnittlich nicht mehr als 48 Stunden pro Woche über eine längere Periode zulässig
- Sozialversicherungen: Anmeldung bei den obligatorischen Sozialversicherungen (AHV/IV, BVG, UVG)
Kulturelle Aspekte und Integration
Kulturelle Unterschiede verstehen
Die erfolgreiche Integration von Mitarbeitern aus Osteuropa hängt auch vom Verständnis kultureller Unterschiede ab:
- Kommunikationsstil: In der Schweiz herrscht oft ein direkterer, aber höflicher Kommunikationsstil, während in osteuropäischen Ländern teilweise hierarchischere Strukturen üblich sind
- Pünktlichkeit und Zeitmanagement: In der Schweiz wird besonderer Wert auf Pünktlichkeit und strukturierte Arbeitsabläufe gelegt
- Feedback-Kultur: Die schweizerische Arbeitskultur zeichnet sich durch Strukturiertheit und klare Erwartungen aus
Erfolgreiche Integrationsmassnahmen
Um osteuropäische Mitarbeiter erfolgreich zu integrieren, empfehlen sich:
- Mentoring-Programme mit erfahrenen Kollegen
- Interkulturelle Trainings für alle Mitarbeitenden
- Teambuilding-Aktivitäten zum gegenseitigen Kennenlernen
- Unterstützung bei administrativen Angelegenheiten (Behördengänge, Wohnungssuche, Familiennachzug)
- Sprachkurse in Deutsch, Französisch oder Italienisch je nach Arbeitsregion
Fazit: Mehrwert durch Vielfalt
Die Beschäftigung von Mitarbeitern aus Osteuropa bietet Schweizer Unternehmen zahlreiche Vorteile:
- Ausgleich des Fachkräftemangels in wichtigen Branchen wie Transport, Handwerk oder Gesundheitswesen
- Neue Perspektiven und Arbeitsweisen
- Interkulturelle Kompetenz im Unternehmen
- Erschliessung neuer Märkte durch sprachliche und kulturelle Kenntnisse
Wer die rechtlichen Rahmenbedingungen beachtet, organisatorische Herausforderungen meistert und in die kulturelle Integration investiert, kann vom Potenzial osteuropäischer Fachkräfte optimal profitieren und gleichzeitig sicherstellen, dass diese sich in der Schweiz willkommen und wertgeschätzt fühlen.
Checkliste für Arbeitgeber
- Rechtliches
- EU/EFTA-Status oder Drittstaatsangehörigkeit prüfen
- Notwendige Bewilligungen rechtzeitig beantragen
- Arbeitsvertrag gemäss Schweizer Recht erstellen
- Anmeldung bei Sozialversicherungen vornehmen
- Organisatorisches
- Qualifikationen und Berufserfahrung prüfen
- Wohnungssuche unterstützen
- Bankverbindung einrichten
- Transportmöglichkeiten klären
- Einarbeitung planen
- Kulturelles
- Integrationskonzept erstellen
- Sprachkurse anbieten
- Kulturelle Besonderheiten beidseitig thematisieren
- Teambuilding fördern
- Regelmässiges Feedback einholen
Die erfolgreiche Rekrutierung und Integration von Mitarbeitern aus Osteuropa erfordert ein durchdachtes Vorgehen, bringt jedoch wertvolle Vorteile für Schweizer Unternehmen, die dem Fachkräftemangel entgegenwirken möchten.
Auch für Arbeitnehmer gibt es einiges zu beachten, wenn sie in der Schweiz arbeiten wollen.